FOTOTREFF Berlin Team von 2019, v.l.: Charlotte Schmid, Tobias Laukemper, Pauline Friesecke, Vanya Pieters; Foto (C) Tobias Kruse

Interview mit dem FOTOTREFF Team von 2019

Jens Pepper ist als Fotograf, Kurator, Veranstalter und Moderator eine feste Größe in der Berliner Fotoszene. Da er zudem ein wunderbar kompetenter und angenehmer Gesprächspartner ist, ergab sich 2019 beiderseits der Wunsch nach einem Interview mit dem Team des FOTOTREFF Berlin.

Hier folgt ein Auszug aus dem Interview. Das komplette Gespräch mit Jens Pepper findet ihr auf seinem Blog https://obstundmuse.com.

(Foto: Tobias Kruse)

Jens Pepper

Fotograf. Kunstvermittler. Autor.
*1964 in Bremen, lebt seit 1987 in Berlin. Nach langjähriger Tätigkeit als Galerist, Kurator und Autor, ist er heute vor allem Fotograf. Zudem ist er bekannt für seine Interviews mit Fotografen, Kuratoren, Fotohändlern und Fotohistorikern sowie Essays zu fotografischen Themen.

2017 erschien sein Buch Gespräche über polnische Fotografie

2019 erschien sein Buch Fotoszene Berlin mit 25 Interviews

 Jens Pepper: 2014 wurde der FOTOTREFF Berlin ins Leben gerufen; von euch vieren oder war die Anfangscrew eine andere? Und warum wolltet ihr dieses Treffen überhaupt organisieren? Fehlte euch irgendetwas in der Stadt, eine Lücke, die ihr füllen wolltet? 

Anna Charlotte Schmid: 2014 waren es Tobias und ich, die den FOTOTREFF Berlin ins Leben gerufen haben. Damals noch in einer völlig anderen Dimension. Da haben wir keine Technik besorgt, wie z.B. die LED Lampen, ganz zu schweigen von Mikrofonen oder so. Es waren maximal zehn Personen anwesend und wir nutzten Neonröhren, um den Tisch für die Präsentationen auszuleuchten. Es fehlte mir damals eine Plattform, ein Ort des Austausches und der Begegnung mit anderen Fotografen, um über Entwicklungen von Arbeiten und neue Projekte sprechen zu können. In Berlin, wo du jeden Abend zu einer Veranstaltung gehen kannst und auf viele, interessante Menschen triffst, die in demselben Bereich arbeiten, kannst du dich als Künstler bzw. Künstlerin im Prozess des Schaffens ziemlich alleine fühlen. Ich sah und fühlte selbst diese Lücke. Und die musste gefüllt werden.

Tobias Laukemper: Genau, unser eigener Bedarf war der Ausgangspunkt einer langen Reise. Diese war ja damals noch nicht abzusehen. Ich wollte beispielsweise mein Verhältnis zur Fotografie neu bestimmen und  dafür in den Austausch mit anderen treten. Charlotte und ich hatten im Gespräch miteinander beide das Gefühl: eine solche Möglichkeit fehlt – die muss geschaffen werden. Direkte Kommunikation und Vernetzung ist für mich sehr wichtig, wo doch das meiste heute über die verschiedensten Medien und Kanäle läuft. Da wir beide in einer Community unterwegs sind, in der es zwar die regelmäßigen Treffen bei Ausstellungseröffnungen gibt, aber damals kein Ort existierte, der die Möglichkeit bot Diskurs und Netzwerk miteinander in einem intimen Rahmen zu erleben – und Charlotte diese großartige Möglichkeit in der Küche ihrer Studiogemeinschaft hatte – hat es sich einfach angeboten, den Treff ins Leben zu rufen.

Jens Pepper: Ok, Anna Charlotte und Tobias gaben den Startschuss. Wie kamt ihr dazu, Vanya und Pauline?

Vanya Pieters: Für mich ergab sich im September 2018 die Möglichkeit mitzumachen. Das war, als ich gerade die Bildredaktionsklasse an der Ostkreuzschule absolvierte. Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch mit Tobias auf dem Unseen Photo Gelände in Amsterdam, wo er mir die Besonderheiten und die neuen, aufregenden Pläne für den FOTOTREFF erläuterte.

Pauline Friesecke: Und bei mir war es so, dass ich Charlotte und Tobias in Berlin kennengelernt habe, weil wir in der Kehrer Galerie ein Veranstaltungsformat hatten, bei dem ähnliche technische Voraussetzungen nötig waren. Aus diesem Grund haben wir uns damals ausgetauscht. Nachdem wir uns dann im Sommer 2018 auch in Arles wiedergetroffen hatten, kam Charlotte im Herbst auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, beim FOTOTREFF einzusteigen. Das war natürlich eine schöne Möglichkeit, um auch außerhalb der Galerie mein Networking in der Fotoszene voranzutreiben.

Jens Pepper: Die jeweiligen Treffen unterteilen sich in aktuell drei Programmpunkte die allesamt für sich genommen schon einen Abend erlebenswert machen würden. Warum diese Fülle bei jedem Treff?

Tobias Laukemper: Wir haben drei Module, die unterschiedlich kombiniert werden können, und versuchen, die Treffs nicht zu überfüllen, in dem wir meist zwei der drei Module auswählen. Manchmal sind unsere Gäste gerade in der Stadt – dann macht es Sinn, sie kurzfristig mit ins Programm zu nehmen. So kamen sicher auch Abende zustande (= besser!), in denen das Publikum viel Information auf einmal aufnehmen musste. Normalerweise versuchen wir jedoch, nur zwei Programmteile zu konzipieren. Diese ergeben eine interessante Reichhaltigkeit, können sich ergänzen oder zuwiderlaufen und so das Publikum inspirieren weiterzudenken, die Informationen miteinander zu kombinieren und einen Diskurs zu führen.

Anna Charlotte Schmid: Die Idee des SHOW + TELLs gab es ja schon von Anfang an, seitdem es den FOTOTREFF Berlin gibt. Heute wird er durch einen Open Call kuratiert, um ein bisschen den Überblick und eine Struktur zu behalten. Der Programmpunkt Book Slot kam erst später dazu. Wir haben die Nachfrage nach Präsentationen und Gesprächen über das Machen von Fotobüchern und Magazinen ernst genommen und versucht, sie in unseren Abend zu integrieren. Der TALK ist in unseren Augen ein guter Start für die Abendveranstaltung, den wir immer als Basis für das Event nehmen. Wie Tobias sagte, ist das alles zusammen gesehen ein ganz schön volles Programm und wir schauen immer, dass wir zumindest die Module SHOW + TELL und BOOK SLOT variieren, um die Abende nicht zu überreizen.

Pauline Friesecke: Deine Frage ist aber trotzdem berechtigt. Wir müssen immer wieder schauen, dass die Abende nicht zu voll werden und unser Publikum auch bis zum Ende Freude an der Veranstaltung hat. Das ist manchmal ein schmaler Grat zwischen zu viel und zu wenig.

Jens Pepper: Jetzt habt ihr, wie schon angesprochen wurde, auch noch begonnen, im Ausland aktiv zu werden. Im Frühjahr habt ihr einen Fototreff in Budapest organisiert. Habt ihr keine Angst, dass ihr euch übernehmt?

Tobias Laukemper: Ja, unser erster FOTOTREFF ABROAD war ganz große Klasse, wir sind immer noch ganz voll davon. Die Idee, den FOTOTREFF auch extern zu veranstalten, gibt es schon lange. Im letzten Jahr haben wir dann angefangen, eine Location zu suchen und uns intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Budapest bot sich an, da wir in Berlin schon mit dem Collegium Hungaricum zusammengearbeitet haben, wir viele Kontakte nach Budapest unterhalten, unsere Gäste mit Budapest in Zusammenhang stehen – und nicht zuletzt, weil wir denken, dass eine qualitativ hochwertige Kulturarbeit in Ungarn sicher auch ein politisches Signal ist. Wir möchten sehr gern weiter gehen und pro Jahr ein paar externe Veranstaltungen durchführen. Diese sind für uns in der Organisation etwas Besonderes, und werden mit viel Aufmerksamkeit bedacht und kuratiert. Gleichzeitig müssen wir unsere Ressourcen bündeln und geschickt einsetzen. So werden wir darauf achten, dass auch die Berliner Veranstaltung sich weiter entwickelt und mit einem interessanten Programm überzeugen kann – klar.

Vanya Pieters: Um zurückzukommen auf deine Frage, ob wir Angst haben uns zu übernehmen: Die Ausflüge des FOTOTREFF ins Ausland geben uns viel Energie. Und die Zusammenarbeit mit den Institutionen, mit denen wir bei solchen Gelegenheiten zu tun haben, verschaffen uns Raum, um uns auf die Inhalte konzentrieren zu können, denn die übernehmen oftmals die Technik, das Catering, viele logistische Angelegenheiten, also alles Dinge, die wir in Berlin selber machen müssen. Diese interkulturellen Verbindungen herzustellen ist für uns sehr wertvoll.

Anna Charlotte Schmid: Übernehmen? Nein. Ich habe noch während der Veranstaltung in Ungarn über weitere Ideen für Kooperationen nachgedacht. Das Feedback dort war unglaublich und wir haben gemerkt, dass nicht nur in Berlin diese Lücke gefüllt werden will, sondern auch woanders. Ich persönlich hatte von Anfang an die Idee, eine internationale Vernetzung von Akteuren zu schaffen, die in der Fotowelt aktiv sind. Dafür muss man sich aber erst einmal einen Standpunkt schaffen. Und den haben wir in Berlin, wo wir auch zu Hause sind. Nach fast fünf Jahren waren wir dann auch so weit, um den Fototreff außerhalb Deutschlands stattfinden zu lassen. Alles in allem ist das viel Arbeit, aber es macht ja auch glücklich, etwas, das man selbst auf die Beine gestellt hat, international wachsen zu sehen. In solchen Momenten spielt es keine Rolle, wie viel Arbeit drin steckt.

Pauline Friesecke: Vielleicht ist es auch wichtig, das im Kontext zu sehen. Der FOTOTREFF ist nach und nach gewachsen und jetzt haben wir einfach die Kapazitäten, um auch ins Ausland zu gehen.

Jens Pepper: Über welche bisherigen Gäste habt ihr euch besonders gefreut, vielleicht weil sie so bekannt sind und nicht alles mitmachen würden oder weil sie gar nicht in Deutschland oder Europa leben und deshalb nicht mal so einfach eingeladen werden können? Und welche Traumgäste gibt es noch?

Anna Charlotte Schmid: Das ist eine schwere Frage, weil wirklich alle Gäste etwas Besonderes sind. Klar, der ein oder andere ist bekannter, aber das macht nicht gleich das Gespräch interessanter. Wir versuchen, für die Talks passende Gesprächspartner zu finden, da dieser Teil als Einstieg sehr wichtig ist. Es hat mir z.B. sehr viel Spaß gemacht, die Veranstaltung mit Peter Bialobrzeski und Loredana Nemes zu kuratieren. Die beiden kannten sich nur flüchtig und waren sehr daran interessiert, sich auf diese Weise das erste Mal richtig zu treffen. Und es war auch für uns das erste Mal, dass wir zwei Fotografen als Gesprächsteam einladen, wobei es bei diesem Talk in erster Linie um die Arbeit von Peter ging. Ich hatte mir vorweg viele Interviews und Videos von Loredana angeschaut und wusste, dass ich nur sie Peter gegenübersetzen möchte. Sie arbeiten beide unterschiedlich und verfolgen andere Ansätze in der Fotografie. Peter fotografiert – grob zusammengefasst – Städte, Megastädte, ihre Architektur und Infrastruktur; Loredana hingegen geht nah an den Menschen heran, sehr intim und persönlich. Diese konträren Herangehensweisen an Themen fand ich spannend für ein Gespräch. Und es hat wunderbar funktioniert. Traumgäste gibt es natürlich viele. Wir verraten hier aber noch nichts.

Pauline Friesecke: Diese Frage ist für mich noch etwas früh, so viele Veranstaltungen habe ich ja noch gar nicht mitgemacht. Der Abend mit Peter Bialobrzeski und Loredana Nemes war wirklich sehr schön, aber diese Frage würde ich gerne in einem Jahr beantworten.

Tobias Laukemper: Jeder Abend hat seinen Reiz und wir freuen uns auf alle Gäste. Es gibt keine Hierarchie und wir versuchen, für alle eine gastfreundliche und offene Atmosphäre zu schaffen. Ganz subjektiv hat mir das Gespräch von Tobias Kruse und Feng Li besonderen Spaß gemacht. Feng kommt wirklich von weit her, aus China, und ich fand die Situation mit einer Dolmetscherin, die ihren Job wirklich sehr gut gemacht hat, dazwischen eine sehr interessante Situation. Feng spricht nur Chinesisch und so gab es keine Vorbereitung sondern nur den Moment. Das Gespräch war sehr lustig und hatte interessante Themen – ja, das war sehr gelungen.

Jens Pepper: Wer ist euer Publikum? Nur Fachleute aus der Fotoszene oder auch neugierige Bürger, die sich einfach nur für Fotografie interessieren? Erreicht ihr auch Studenten der Udk, von der Ostkreuzschule oder der Freien Schule für Fotografie? 

Pauline Friesecke: Ich denke schon, dass unsere Besucher größtenteils aus der Fotoszene kommen; aber es gibt auch Fachfremde, die neugierig sind.

Tobias Laukemper: Wir sprechen jeden an, der sich für dokumentarische Fotografie interessiert. Unser besonderes Augenmerk gilt jedoch den Profis, also Fotografen, Bildredakteuren und Menschen, die sich jeden Tag im professionellen Kontext mit Fotografie auseinander setzen. Wir versuchen, dieser Zielgruppe ein besonderes Programm zu bieten. Unsere Veranstaltung ist inhaltlich ausgelegt und wir möchten Diskurs auf hohem Niveau präsentieren. So richten wir uns natürlich auch an die Studenten der unterschiedlichen staatlichen oder privaten Schulen für Fotografie, Kunst und Design. Wir freuen uns, wenn das Publikum generationsübergreifend ist und verschiedene Altersklassen und Karrierestufen miteinander agieren und voneinander inspiriert sind.

Anna Charlotte Schmid: Die geladenen Gäste des FOTOTREFF TALK bringen ja auch noch mal Leute aus ihren Netzwerken mit. Bei uns kommen sie alle zusammen.

Jens Pepper: Wie sieht die Zukunftsplanung aus?

Tobias Laukemper: Wir möchten auch in Zukunft ein sorgfältig kuratiertes und fachspezifisch interessantes Programm zusammenstellen. Unsere Aktivitäten konzentrieren sich ja inzwischen nicht mehr nur auf den Berliner Raum, vielmehr streben wir internationale Zusammenarbeiten an. Der Schritt nach Budapest in Kooperation mit dem Goethe-Institut geht in die richtige Richtung. Wir möchten mehr mit Institutionen und Festivals im In- und Ausland kooperieren und hoffen so, weitere Publikumsschichten zu erreichen und für unsere Veranstaltung zu interessieren.

Vielen Dank Jens Pepper für das schöne Gespräch.

Das komplette Interview mit Jens Pepper findet ihr auf seinem Blog https://obstundmuse.com.
Mehr von Jens Pepper gibt’s regelmäßig auch auf Instagram: https://www.instagram.com/photosbypepper/